Die Geschichte des Chipsatzes für russische VAXen
Die Verfügbarkeit von Dokumenten über die Geschichte der Rechentechnik in Russland ist katastrophal weil viele Archive der Unternehmen und Institutionen dieser Branche massiv zerstört wurden. Deshalb wird in den letzen Jahren mehr Aufmerksamkeit auf die mündliche Überlieferung von Menschen gelegt, die selbst Zeugen des Geschehens waren. Das hat aber auch Nachteile. Die Erinnerungen können zeitlich ungenau sein, und die Schätzungen subjektiv. Deswegen ist es wahrscheinlich am besten, beide Ansätze zu kombinieren. Das Thema des folgenden Intervievs dreht sich um sowjetische VAX Computer. Als in den frühen 1980er Jahren klar wurde, dass leistungsfähige Minicomputer teilweise Arbeiten von Mainframes übernehmen können, begannen 2 konkurrierende Ministerien - Minpribor und Minelektronprom heftig miteinander um diese wichtige Nische in der Computertechnik zu konkurrieren. Minpribor produzierte Prototypen von VAX Maschinen (CM-1700, CM-1702) im Werk Vilnus als Teil der CM Computerfamilie und MEP produzierte diese in Voronesh. Der Wettbewerbsvorteil von MEP war, dass es sich selbst die gewünschten Mikroprozessor-Chipsets entwickeln und produzieren konnte, Minpribor aber nur "Reste" von MEP bekam. Des Weiteren begannen in den 1980ern die osteuropäische RGW-Länder mehr und mehr unabhängig von der Sowjetunion Computerpolitik zu machen, ins Besondere war es Bulgarien, das durch den Bau von ca.15 im Westen gekauften Werken ein wichtiger Lieferant der UdSSR für; Computerperepheriegeräte geworden war und manchmal sogar dreist seine Bedingungen diktierte (ich war Zeuge bei den Verhandlungsgesprächen über die Festplattenlieferung für Minpribor im Jahr 1984 in Vilnus). Bulgarien hatte auch eine unabhängige Produktion von Mikro-und Mini-Computern, einschließlich VAX Prototypen gestartet. Ich biete Ihnen einen Teil des historischen Interviews mit Sergei Shisharin, Direktor der Firma „Junicor- Microsystem“ (der zweite Teil dieses Interviews über die Firma war in PC Week/RE, Nr.19/2004, S.42 veröffentlicht), der beschreibt, wie das Forschungsinstitut „Angstrem“ ein Analog der amerikanischen VAX 750 in Mikroprozessorausführung entwickelt hat (den es bei DEC als Chipsatz nie gab, [Anm. Des Übers.]) Eduard Proidakov: Beginnen wir mit der Geschichte. Wie wurde Ihre Firma gegründet, was haben Sie vorher gemacht?
Sergei
Shisharin:
Das ist eine ziemlich lange Geschichte, weil das Kernteam des
Unternehmens, das
heute den Namen "Junicor-Micro" trägt, in der Sowjetzeit gebildet wurde.
Wir arbeiteten damals alle am Forschungsinstitut für Technologie und an
dem Werk "Angstrem", das Flaggschiff der russischen
Mikroelektronik. Es war dort eine Abteilung Nr. 21, die ikroprozessoren
entwickelte. Wissen Sie, es gab in der Sowjetzeit im Wesentlichen zwei Verfahren: Wir wurden aber mit der Entwicklung von zu westlichen Originalen kompatiblen Mikroprozessoren beschäftigt. Eine prinzipielle (architektonische) Kompatibilität war vorhanden, aber strukturelle und schaltungsmäßige Lösungen waren anders. Diese Aufgabe war deutlich schwerer.EP: An welchen Prozessor IC Serien haben Sie gearbeitet? S.S: Es waren die Typen 1801BM-1, BM-2, BM-3. Dann Mitte der achtziger Jahre hat der Minister von Minelektronprom Vladimir Kolesnikov entschieden, 32-BIT Prozessoren zu produzieren, die mit Prozessoren von DEC kompatibel sind. Übrigens war ich dagegen, weil ich dachte, die Zukunft gehört nicht Mainframes oder Minis, sondern dem PC.Mich hat aber Niemand gefragt... und dann wurde ein 32-BIT Chip Set entwicklet und produziert, das Softwarekompatibilität mit dem VAX Computer hatte. Auf dieser Grundlage haben wir den „Elektronikia-32“ Rechner gebaut. Er war architektonisch mit der VAX-750 kompatibel. Zu diesem Zeitpunkt hatte DEC schon die Micro VAX-I und Micro VAX-II. EP: Erinnern Sie sich an den Namen Ihres Chipsatzes?
S.S:
Klar, erinnere ich mich: K1839. Als Erstes wurde der
Prozessor entwickelt, und dann Co-Prozessor für Arithmetik mit Fließkoma,
der Memory-Controller, dann der Host-Bus-Adapter. Die Ganze Sache war gegen Ende
der 1980er schon fertig. EP: Ich vermutete dass viel mehr Mitarbeiter involviert waren?
S.S:
Es waren natürlich mehr Leute, da sich die Abteilung nicht
nur mit 32-Bit-Prozessoren beschäftigte. Als wir diesen Chipsatz entwickelt hatten führte dies zu einer paradoxen Situation:
Wir hatten es geschafft, Alles schien zu funktionieren,
aber es stellte sich heraus, dass es Niemand wirklich brauchte. Im Land
gab es eine Veränderung, es begannen harte Zeiten. Wir hatten eine
Zeitperiode in der
das Gehalt nur drei Dollar pro Monat betrug. Einer ging nach Kalifornien,
ein Anderer bekam einen neuen Job,
wie z.B. Systemadministrator bei Procter & Gamble.
Wir gründeten ein kleines Unternehmen das ensprechend der
Anzahl seiner Mitarbeiter "Projekt 16" hieß und das existierte vor allem auf Grund der Tatsache, dass diese Karten
produziert und verkauft wurden. EP: Und diese Chips haben Sie nur ausgehend vom Datenblatt neu projektiert?
S.S:
Nein, wir verwendeten das Applikationshandbuch. MicroVAXen sind auch von der Struktur her anders. EP: Aber die Software war kompatibel? S.S: Ja, aber wir hatten eine VAX 750 in Mikroausführung gebaut. Unsere Platine wurde von Betriebsystem als VAX750 identifiziert und die ganze Mathematik arbeitete als VAX750, aber unser Chipsatz bestand aus nur 4 Chips. EP: Wie hoch war der Integrationsgrad?
S.S:
Alles wurde mit 3µm Strukturbreiten erstellt, deswegen konnten in einem Chip bis zu 100 000 Gatter
verbaut werden. Die Recheneinheit war am größten. Wie wir es damals realisiert hatten und wie das heute
gemacht wird - das ist ein himmelweiter Unterschied. Damals wurde alles per Hand gezeichnet, per Hand
wurde die Topoligie von Chips getestet, jede innere Verbindung und jede Schaltung. Es war ein riesiger
Schaltplan auf 20 Seiten und jedes Blatt wurde mit einem Kreuz gekennzeichnet das bedeutete dass diese
Schaltung geprüft wurde. Erst dann wurde Topologie getestet. Es war einer verdammt harter Job. EP: Vielen Dank für das Interview Link zur Textquelle russisch: http://www.155la3.ru/datafiles/VAX_russia.pdf
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